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23 March 2013

Die WB im Dickem B - Kapitel 2


Kapitel 2

Gutes Essen hat seinen Preis. Die Möglichkeit Till Schweiger oder Barack Obama zu treffen aber auch.

Diesmal hatte ich den Weg einigermaßen hinbekommen, mich nur einmal kurz verlaufen. Nichtsdestotrotz hatte es sich angefühlt wie eine Ewigkeit. Kein Küchenjunge kreuzte meinen Weg im Fahrstuhl und auch auf den restlichen Fluren begegnete mir sonst niemand. Der Fahrstuhl bimmelte, ich trat einen Schritt heraus in Richtung des monströsen Blumenstraußes und verschaffte mir erst einmal einen Überblick über die Lobby. Zielstrebig begab ich mich zu ein paar Sesseln die um einen kleinen Teetisch herumstanden und einen guten Blick auf die Rezeption, den Eingang sowie die anderen Gäste der Lobby boten.
Ich setzte mich und sank gleich etwas in den Sessel ein. Zum Glück waren die Sessel nicht so weich wie die amerikanischen Sofas, aus denen man kaum herauszukommen im Stande war. Eine junge Frau, sicherlich erst etwa Mitte 20, kam sofort zu mir und übergab mir die Speise- und Getränkekarte. Mit einer höflich abweisenden Geste dankte ich ihr für ihre Aufmerksamkeit und bestellte mir einen schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker. Kaum hatte ich mich in Richtung der Rezeption gedreht und einen Blick auf das Treiben dort geworfen kam die junge Frau auch schon wieder zurück und stellte vorsichtig den Kaffee zusammen mit mit Zuckertopf und Milchkännchen auf dem Teetisch ab. Sie hatte die Speisekarte da gelassen und fragte mich ob ich noch einen anderen Wunsch hätte.
Nach einem kurzen Zögern antwortete ich:
Ja. Eine Bitte. Eine Auskunft.“
Die junge Frau sah mich mit großen Augen an und und spitzte ganz offensichtlich gespannt die Ohren.
In welchem Hotel bin ich hier?“
Die junge Frau zog verwundert die Augenbrauen hoch, antwortete dann aber in umso nüchternem Ton:
Im Adlon, genauer gesagt im Kempinski Hotel Adlon.“
Oh, ja danke, vielen Dank“, sagte ich.
Warten Sie bitte einen Moment, ich hole Ihnen eine Informationsbroschüre über das Hotel“, sagte die junge Frau, die offensichtlich meine Verlegenheit bemerkt haben muss.
Ja, danke, das wäre großartig“, antwortete ich und versuchte mich an einem Lächeln.
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich dem Zettel von Andre und dem was darauf stand insgesamt keine große Beachtung entgegengebracht hatte. Andre hatte die Reservierung gemacht und ich hatte mich nur noch einmal versichert, dass der Zettel noch in meiner Jacketttasche war, bevor ich dem Taxifahrer den Zettel gab.
Die junge Frau kam mit der Broschüre wieder, ich war gerade dabei meinen Kaffee zu trinken und nickte ihr nur einmal kurz mit einen angedautem Lächeln zu. Sie verstand, legte die Broschüre auf den Tisch und widmete sich wieder den anderen Gästen. Ich begann anzufangen die Broschüre zu überfliegen und beobachte nun wieder die Rezeption, an der gerade ein Paar eincheckte, das über den 2 großen Koffern noch 3 Wäschesäcke mit Anzügen gelegt hatte. Auch wenn Andre das anscheinend anders sah, hielt ich meinen Anzug doch für universell angemessen: grau und schlicht.
Mein Blick schweifte rüber von der Rezeption hinüber zum Eingang, blieb allerdings am Brunnen hängen. Der Anblick der marmorneren Statur und das Sprenkeln des Wassers verbanden sich zu einem fast unwirklichem Gesamterlebnis. Am Eingang kamen gerade einige Gäste des Hotels herein, es schien zu regnen, denn die Regenschirme, die die beiden Herren bei sich trugen tropften noch. Mein Kaffee trank ich zügig aus und beschloss noch einmal auf mein Zimmer zu gehen um einen Regenschirm zu holen.
Weil ich nicht auf die junge Frau warten wollte um bezahlen zu können holte ich einfach ein 5 Euro Schein heraus und legte ihn unter die Kaffeetasse. Ich wollte gerade aufstehen, da fand ich es doch klüger noch einmal einen Blick in die Speisekarte zu werfen. Infolgedessen entschied ich mich zu dem einem Fünfer noch etwas Kleingeld zu legen. Langsam kam mir Andre etwas seltsam zu Mute vor.
Die Broschüre steckte ich mir in eine Hosentasche und schnellen Schrittes eilte ich zum Fahrstuhl und durch die Gänge, den Weg kannte ich mittlerweile, ich wollte Andre aber auf keinen Fall warten lassen. Den Schmerz den meine Schuhe an meinen Füßen verursachten musste ich für diesen kurzen Moment aushalten. Vor meiner Tür angekommen holte ich meine Schlüsselkarte heraus, stemmte mich gegen die Tür und schaltete das Licht an. Ich schritt zum Kleiderschrank und fand dort, wie ich es erwartet hatte, den hoteleigenen Regenschirm: Groß und schwarz.
Auf ein paar Sachen kann man sich in jedem Hotel verlassen und Ort und Aussehen des Regenschirmes gehören einfach dazu.
Ich nahm den Regenschirm, schloss die Schranktür, hievte die Zimmertür auf, losch im Hinausgehen das Licht und machte mich wieder auf meine lange Reise runter in die Lobby. Zu meinem Glück war Andre noch nicht in der Lobby als ich dort ankam und so entschied ich, dass es das beste wäre direkt bei dem riesigen Blumenstrauß zu warten, gegenüber des Fahrstuhles, sodass Andre mich nicht übersehen konnte.
Vor mir erstreckte sich ein recht langer Gang mit einem bepflanzten Innenhof anbei. Ich sah einen Moment länger in den Gang hinein, aber außer eines Mannes im Anzug und einem Hotelangestellten regte sich kaum etwas im Gang. Da sich der Fahrstuhl nicht rührte und auch von Andre noch nichts zu sehen war drehte ich meinen Kopf rüber zur Bar und begann die Liköre und Brandweine der Bar zu zählen. Ich hatte gerade das dritte dutzend voll, da tippte mir jemand auf die Schulter.

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Das Kapitel hatte ich mittlerweile ausgelesen und in Anbetracht der Länge des Nächsten war es mir lieber das Buch einen Moment zur Seite zu legen. Ich rollte mich rüber zur anderen Seite des Bettes, an der, unauffällig zwischen Bett und Fenster, meine beiden Koffer lagen, die ich zuvor dort verstaut hatte. Nachdem ich einen Koffer geöffnet hatte, durchforstete ich ihn erst einmal nach einen passenden Hemd für den heutigen Abend. Dabei stieß ich noch auf ein, zwei andere Kleidungsstück, die eigentlich einer generellen Überholung bedurften, sprich einer Wäsche im Waschbecken des Adlon. Am Telefon bestellte ich mir beim Concierge Bügeleisen- und Brett, dass ich zwar erst morgenfrüh brauchen würde, das mich dann aber nach dem heutigen Abend noch darin erinnern würde, dass ich noch etwas im Waschbecken liegen habe. Die beiden Kleidungsstück weichte ich also mit lau warmen Wasser und etwas Seife ein und ließ das ganze im Waschbecken liegen.
Ein Blick auf die Uhr und den Terminplaner meines Blackberry verrieten mir, dass es schon viertel vor Termin war; sollte für die 900 Meter reichen. Ich warf mir noch Hemd und Jackett über und verließ den Raum. Mein Zimmer lag verhältnismäßig gut und die Türen schirmten jegliches erdenkliches Geräusch von den Fluren her ab.
Im Fahrstuhl begegnete ich zwei Herren mit Regenschirmen und ich begrüßte sie mit einem Lächeln. Die beiden unterhielten sich auf Italienisch. Unten angekommen sah ich Medewe schon bei den Blumen stehen, er reckte seinen Hals in Richtung Bar. Stimmt, ich vergaß ganz, dass Medewe ja Russe ist. Leicht verlegen und so höflich wie eben möglich tippte ich Medewe auf die Schulter.

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Medewe erschrak etwas und dachte zuerst vor ihm stünde ein Hotelangestellter. Er blickte etwas erstaunt in die fragend weit geöffneten Augen von Andre.
Bereit?“, fragte Andre knapp.
Ja.“, antwortete Medewe knapp und mit Nachdruck und versuchte damit sein Erschrecken zu überspielen.
Ok, let's go.“ sagte Andre und schwenkte zur rechten Seite, vorbei am Blumenstrauß und der Rezeption in Richtung Ausgang, Medewe immer dicht hinter oder neben ihm.
Oh, Rollkragenpullover, was anderes hat dein Koffer nicht hergegeben? Wofür ist der Regenschirm?“
Es regnet draußen.“ antwortete Medewe und Andre stemmte sich gerade gegen die Drehtür und bemerkte es auch.
Gut, dass du mitgedacht hast.“ sagte Andre und die beiden kamen nach draußen. Medewe spannte den großen Regenschirm auf und hielt ihn so, dass beide drunter passten.
Ist dir nicht kalt?“, fragte Medewe.
Ach nein was, die 900 Meter, da wird einem doch nicht kalt!“, sagte Andre und Medewe spürte den Schmerz in seinen Schuhen für einen Moment noch intensiver.
Die letzten Sonnenstrahlen waren nun auch verschwunden und die beiden wanderten durch das sommernächtliche aber seltsamerweise recht nasse Berlin. Die beiden gingen erst einmal eine Weile die Straße Unter den Linden gen Osten hinunter. Vorbei an den Straßensperren der Britischen Botschaft und den recht entspannt wirkenden Polizeibeamten davor, vorbei auch am Café Lebensart und der Russischen Botschaft und auf Höhe des Café Einstein in die Glinkastraße.
Medewe musste sich die ganze Zeit blind auf Andre verlassen, was ihm nicht unrecht war. Andre sagte die ganze Zeit kaum ein Wort, strahlte aber eine deutliche Selbstsicherheit aus.
Medewe verwirrten diese Auto-Showroms aber immer wieder. Er kannte sie zwar schon aus St. Petersburg und aus Moskau, verstand ihren Sinn aber dennoch nicht so recht. In diesen Läden stehen meistens nur 2 bis 3 Autos, die man sicher nicht probefahren konnte.
Andre und Medewe bogen nach links auf die Französische Straße ein und nachdem sie die Friedrichstraße einmal gekreuzt hatten standen sie auch schon vor einem Haus mit einer roten Markise und der Aufschrift „borchardt Restaurant“.
Andre öffnete die Tür und Medewe war froh darüber aus dem Regen heraus zu kommen und über die Aussicht seinen Füßen etwas Ruhe zu gönnen. Andre wurde gleich freundlich, aber doch etwas arrogant wie Medewe fand, von einer sehr jungen Frau im Cocktailkleid begrüßt. Er erwähnte ihre Reservierung, während Andre noch damit beschäftigt war den Regenschirm abzutropfen und zusammenzufalten.
Dieses war einer der wenigen Ort in Berlin wo Andre gerne hinging, das Personal aber noch nicht mit Vornamen kannte.
Sogleich kam auch schon ein Herr gesetzten Alters im Jackett und fragte die beiden wo sie den gerne sitzen würden; das Restaurant war um diese Uhrzeit noch recht leer. Andre entschied sich für einen Platz nah am Fenster zum Innenhof. Die beiden mussten sich regelrecht in ihren Platz zwängen, weil die Stühle und Tische so eng gereiht waren. Andre behielt sein Jackett einfach an, Medewe hängte seinen Mantel über den Stuhl und den Regenschirm lehnte er neben dem Tisch am Fenster an. Kaum hatten sich die beiden gesetzt kam auch schon ein Kellner mittleren Alters mit Halbglatze, reichte die Speisekarte und erkundigte sich nach den Getränkewünschen.
Nach einem kurzen Blick in die Karte fragte Andre den Kellner:
Der Riesling, ist der trocken?“
Ja.“
Gut, dann davon bitte zwei Gläser“
Andre blickte kurz rüber zu Medewe, der gerade zwischen Wiener Schnitzel und Caesars Salat in der Speisekarte vertieft war und nur kurz aufblickte und Andre zunickte. Der Kellner zog gerade schon wieder mit schnellem Schritt ab, da wendete Andre noch einmal zum Kellner:
Könnte ich bitte noch ein kleines, stilles Wasser bekommen? Ja? Danke.“.
Der Kellner nickte und zog ab. Andre und Medewe waren nun beide in ihren Speisekarten vertieft, Andre war gerade zwischen Rind und Kalb, Medewe schon beim Fisch, da fiel Medewe wieder die Broschüre in seiner Hosentasche ein. Er holte sie raus, die Broschüre sah etwas mitgenommen aus, weil sich Andre drauf gesetzt hatte und legte sie auf den Tisch.
Was ist das eigentlich für ein Hotel in dem du uns eingebucht hast?“, fragte Andre.
Wieso, ist irgendwas mit deinem Zimmer nicht in Ordnung?“, und Andre blickt von seiner Speisekarte hoch.
Nein, nein, ich bin nur neugierig. Hier diese Broschüre hatte mir eine Hotelangestellte gegeben, die ich gefragt hatte.“
Andre legte die Speisekarte zur Seite und nahm die Broschüre, die er bis jetzt gar nicht gesehen hatte und überflog sie.
Was hast du die Hotelangestellte gefragt?“
In welchem Hotel ich sei.“
Und was hast du für eine Antwort bekommen?“
Dass ich im Hotel Adlon sei und diese Broschüre.“
Ja und was ist dir dann unklar?“
Ich meine... Andre, du bist auch auch öfters in Hotels, Hiltons und so. Ich war auf meiner Reise jetzt in 5, aber die sind anderes als das Adlon. Es steigen dort zwar in etwa die selben Leute ab, nun gut, nicht so viele Amerikaner in Sport und Freizeitklamotten wie in den Hiltons, aber das Adlon ist doch ganz anderes. Hast du dir einmal angesehen, wie dass eingerichtet ist, ich mein wann wurde das gebaut?“, sagte Medewe und lehnte sich etwas über seine Speisekarte vor.
Ich glaube fertig wurde das Adlon 1997“
Medewe zog ungläubig die Augenbrauen hoch.
Das neue Adlon, das alte Adlon hat 1907 eröffnet. Die Sowjets hatten es dann geschafft, dass es in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges zum größten Teil abgebrannt ist. OK, Medewe. Du bist vielleicht noch etwas jung um das zu verstehen, aber das Adlon ist eine Legende unter den Hotels. Es ist halt eben anderes als all die anderen Hotels, als die Hiltons. Das ist eben der Grund warum ich jedes mal wenn ich nach Berlin komme ins Adlon gehe und das Adlon ist der Grund warum ich so oft wie möglich nach Berlin komme. Nebenbei ist Berlin auch noch eine meiner Lieblingsmetropolen, vielleicht meine Metropole in Europa.“
Ja, gut langsam verstehe ich.“, sagte Medewe und musste zwanghaft an die Lobby des Adlon denken.
Ich glaube du wirst es in den nächsten Tagen noch mehr verstehen. Hast du dich mittlerweile entschieden?“
Die Broschüre wanderte von Andre wieder zrurück zu Medewe.
Ja, ich glaube ich nehme das Pfifferlingsrisotto.“, und Medewe klappte die Speisekarte zu.
All right.“
Medewe steckte die Broschüre in eine Innentasche seines Mantels.
Andre klappte seine Speisekarte nun auch zusammen und blickte Medewe für einen Moment mit einem breitem Lächeln an. Dieser war gerade dabei sein Besteck zu ordnen und bemühte sich, nachdem er damit fertig war, sein Blackberry aus seiner Hosentasche zu holen. Das Blackberry blinkte an der Oberseite auch fröhlich rot, was Medewe signalisierte, dass neue Nachrichten eingegangen sind. Er entsperrte das Blackberry, öffnete sein E-Mailfach und fand dort ein halbes dutzend neue E-Mails. 3 davon waren Updates über die gegenwärtige Situation, wie Food Price Watch oder ähnliches. Eine war über einen neuen Mitarbeiter in der Abteilung und die anderen beiden bezogen sich auf aktuelle Aufgaben oder Projekte. Diese Mails beantwortete Medewe kurz, trug noch einen Termin in seinen digitalen Terminplaner ein und steckte das Blackberry wieder in seine Hosentasche. Andre, der kurz aus dem Fenster neben ihrem Platz in den Innhof geblickt hatte, der sich ebenso wie der Rest des Restaurants langsam füllte, wandte sich nun wieder Medewe zu.
Was gibt’s neues im HQ?“, sagte Andre und sprach HQ dabei mit einer sehr amerikanischen Betonung aus.
Die Analyse für MIGA muss noch bearbeitet werden, mal sehen ob ich das noch heute Abend oder Morgen früh mache, will das eigentlich weg haben und die Verhandlungen mit Turkmenistan laufen noch, scheint sich wohl etwas zu ziehen. Außerdem haben wir einen neuen Analysten, ein Spanier. Du müsstest dich doch eigentlich gut mit ihm verstehen.“
Warum denn das?“
Frankreich-Spanien, die katholische Allianz Europas.“
Nah mal sehen.“
Der Kellner kam und stellte sich senkrecht zu den beiden um die Bestellung aufzunehmen.
Ich nehme den Fisch“
Medewe blickt noch einmal in die Speisekarte um sich seiner Wahl noch einmal zu vergewissern und um den vollständigen Namen des Gerichtes zu nennen.
Der Kellner antwortete „Sehr wohl.“, nahm die Speisekarten an sich und verschwand wieder.
Ich glaube ich muss mal auf Toilette. Du kannst ruhig schon anfangen zu essen, wenn das schon kommt.“, sagte Andre, zwang sich von seinem Platz auf und begab sich in den rückgelegenen Bereich des Restaurants.

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Ich blickte Andre noch kurz hinterher bis er um eine Ecke verschwand. Dabei drehte ich mich ein bisschen und bemerkte, dass sich mittlerweile ein paar andere Gäste hinter uns gesetzt hatten. Es hatte schon kurz nachdem ich und Andre im Restaurant angekommen waren aufgehört zu regnen und der Regen hatte noch ein bisschen von der Wärme des Sommertages übrig gelassen. Eigentlich wollte ich noch einen kurzen Blick auf mein Blackberry werfen, bemerkte aber bei einem flüchtigen Blick zu meiner Linken, hinaus auf den Innenhof, zwei junge Frauen, vielleicht Anfang, Mitte zwanzig, die jeweils ein volles Champagnerglas vor sich hatten. Beide sehr elegant gekleidet, diejenige in meiner Blickrichtung mit sehr roten Lippen, mit seidig wirkender Haut und mit sehr blondem Haar. Bei einem etwas weiterem Blick zu meiner Linken sah ich eine relativ große Gruppe, gut zwei drittel Männer und ein drittel Frauen, alle im Anzug oder Kostüm, an der Spitze der langen Tafel ein älterer Herr. Ich blickte mich noch etwas weiter um, diesmal zu meiner Rechten in den Innenraum des Restaurants hinein. Auch hier saß eine Gruppe von etwa 20 Personen, hier aber alles Männer im Anzug und sie schienen sich gut zu amüsieren, den in regelmäßigen Abständen lachte eine Person der Gruppe laut auf, was aber im allgemeinen Stimmengewirr des Restaurants unterging. Vor fast jedem Mitglied der amüsierten Gruppe stand ein großes Glas Pils.
Ein Kellner kam mit einen Wasserglas und meinem stillen Wasser. Er stellte es auf unseren Tisch und gas das Glas etwa halb voll. Nachdem er mich kurz angeblickt und ich mich kurz höflich bedankt hatte war er auch schon wieder verschwunden.
Ich wollte mich noch etwas auf SPIEGEL ONLINE über das Zeitgeschehen informieren, um mit Andre ein Gesprächsthema zu haben, vielleicht ist seit vorhin etwas passiert.

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Den Weg zur Toilette kannte ich noch vom letzten Mal als ich hier gewesen bin. Ich wollte mich auch wirklich nur etwas frisch machen, einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht.
Die Tür zur Toilette ging wie auch beim letzten Mal etwas schwerfällig auf, ich trat an das Waschbecken, stellte den Wasserhahn auf ganz kalt, feuchtete mir meine Hände an und fuhr mir mit meinen Händen einmal durch das Gesicht. Nachdem fuhr ich mir mit den noch etwas feuchten Händen einmal durch mein nicht wirklich kurzes Haar, ordnete es und nahm mir einige von den Papiertüchern aus dem Spender.
Ich warf gerade die Papiertücher in den Mülleimer, da merkte ich, dass, wo ich gerade schon hier bin auch auf Toilette gehen könnte. Nachdem ich das Geschäft abgeschlossen hatte wusch ich mir die Hände, warf die Papiertücher in den Mülleimer und öffnete wieder die schwerfällige Klotür. Medewe war gerade mit seinem Blackberry beschäftigt und man hatte ihm schon sein Wasser gebracht.

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Andre schritt wieder auf Medewe und ihren Platz zu, wälzte sich erneut in seinen Platz herein. Medewe blickt kurz von seinem Blackberry auf als sich Andre setzte, warf noch einen letzten Blick darauf und steckte es dann wieder ein.
Wusstest du, dass gerade Wahlkampf hier in Berlin ist?“, sagte Medwe.
Oh ja, eine Freundin von mir mit der ich neulich telefoniert hatte meinte das. Außerdem hängen doch draußen überall die Wahlplakate, hast du die nicht gesehen.“
Ja, doch, ich konnte mit denen aber ehrlich gesagt nichts anfangen, ich kenne die deutschen Parteien nicht.“
Solange Wowereit wieder regierender Bürgermeister wird.“
Außerdem hielt ich ein Plakat auf dem unten steht <<Piraten>> nicht umbedingt für ein Wahlkampfplakat.“
Ja, das mit den Piraten ist schon so eine Sache. Ich muss mal schauen, ob ich dich noch mit zum Prenzlauer Berg nehme, sollte aber eigentlich klappen“
Warum soll Wowereit eigentlich regierender Bürgermeister werden?“
Der macht das schon ewig, mir gefällt Berlin so eigentlich ganz gut.“
Was ist der Prenzlauer Berg?“
Da wohnen die ganzen Grünen, der Teil hat sich seit der Wende ganz gut entwickelt.“
Ein Kellner kam mit dem Fisch und dem Pfifferlingsrisotto. Der Kellner stellte jeweils einen Teller vor Andre und Medewe. Medewe bekam das was er bestellt hatte, Andre dazu noch etwas junges Gemüse, Süßerbsen und kleine Karotten. Weil der Wein für die beiden noch nicht da war erkundigte sich Andre noch einmal beim Kellner nach dem Wein und dieser nahm es freundlich zu Kenntnis.
Medewe musste sich erst einmal zwischen Löffel und Gabel entscheiden, entschied sich dann aber für die Gabel, weil die Pfifferlinge nicht sonderlich groß waren und er es immer für recht grobschlächtig hielt sich das Essen mit dem Löffel hinein zu schlingen. Andre begann unverzüglich zu essen und zwar nicht so wie Medewe es versucht, möglichst unauffällig und elegant, sondern Andre stach sich auch schon einmal ein halbes dutzend Möhren auf einmal auf die Gabel, und aß zwar mit geschlossenem Mund, dafür aber mit deutlichen Kaubewegungen. Nach einigen Bissen fragte Medewe:
Was hast du eigentlich morgen mit mir vor. Du meintest ja, dass du mir das Berliner Nachtleben zeigen wolltest, nun gut, Nacht ist es, aber da muss doch noch ne Steigerung kommen und was ist morgen über Tag?“
Der Wein ist immer noch nicht da, ich spreche noch einmal mit dem Kellner“, sagte Andre und hielt einen Kellner auf und erinnerte ihn etwas deutlicher an den Wein und wandte sich wieder Medewe zu, der fragend die Augenbrauen hochzog.
Ich weiss schon ziemlich genau, was wir Morgen Abend machen werden und Morgen stehen wir sowieso nicht vor 10 auf. Was für Musik magst du?“
Rock/Pop“, sagte Medewe und nahm einen Schluck von seinem Wasser.
Also alles und gar nichts.“
Alles außer Volksmusik und Schlager“
Ok.“, sagte Andre und nickte leicht nach schräg unten, verbunden mit einem leichten Schulterzucken.
Ein Kellner mit zwei gut gefüllten Weingläsern kam. Andre nahm gleich einen recht großen Schluck, Medewe probierte erst einmal zaghaft.
Schmeckt gut.“, kommentierte Medewe.
Ja.“ antwortete Andre.
Ich weiss, dass wir über so etwas nicht reden sollten, aber ich glaube, dass du das für dich behalten kannst. Was stellst du dir für die Zeit danach vor?“
Was meinst du mit der Zeit danach?“
Ich meine nach Zoellick.“
Oh, ok.“
Was glaubst du wer kommt, wer wäre dein Lieblingskandidat?“
Du meinst neben Pest und Cholara.“
Was meinst du?“
Ich meine, dass meine Landsleute nicht sonderlich glücklich sind mit denen die der Mr. President bestimmt, nicht nur wegen den Leuten, sondern wegen Mr. President.“
Ok, aber das ist das System, für mich ist das ganz ok.“ Andre zuckte kurz mit den Schultern.
Außerdem wenn man etwas bei einem IO wie der WB ist verwandelt man sich doch recht schnell vom Staatsbürger zum Kosmopolit. Eine ganze Reihe an Leuten, die in der WB ein bisschen aufgestiegen bekommen regelmäßig Einladungen für Empfänge ihrer Regierung oder des Auswärtigen Amtes mit dem Motto „Interessenvertretung ihres Landes im Ausland“. Ich bin dort nie hingegangen und ich kenne auch kaum jemanden aus der WB der es jemals getan hat. Mir ist es relativ egal wer über den neuen Präsidenten bestimmt, Hauptsache das ist jemand mit Ahnung, der auch an die WB glaubt. “
Mal sehen ob ich meine Metamorphose bemerken werde.“
Die Leute sagen schon, dass Larry Summers im Gespräch ist.“
Von dem hab ich schon mal was gehört.“
Kann gut sein, er war 91 bis 93 Chefökonom bei der WB.“
Ok.“, sagte Medewe und nahm einen Schluck Wein, während Andre einen Bissen Fisch zu sich nahm.“
Summers hat sich unter Clinton für eine Deregulierung der Finanzmärkte eingesetzt und Clinton auch dementsprechend beraten, die Deregulierungen kamen und es kam 2007.“
Aber wäre doch immerhin einer der schon einmal vorher bei der WB war.“
Klar, dann aber vielleicht auch jemanden der Ahnung hat. Das ist genau der Grund warum ich auch Wowereit in Berlin gut finde. Ich hab mich mal über die deutschen Parteien schlau gemacht. Die SPD und Wowereit sind eher links, die CDU eher rechts, dass sind die beiden großen Parteien, die eigentlich immer den Kanzler, Bürgermeister etc. stellen. Das was ich an den Rechten so schlimm finde, ist, dass die immer noch an diese „unpolitische Wirtschaftstheorie“ glauben. Die Linken sind für Mindestlohn und so was. Über die Sinnhaftigkeit von Mindestlohn etc. kann man streiten, das Problem ist aber, dass die Rechten glauben, dass das Wohl der Wirtschaft gleichzusetzen ist mit dem Wohl der Menschen. Die Wirtschaft dient nicht sich selber, sondern den Menschen. Deregulierung dient vielleicht der Wirtschaft aber nicht zwangsläufig den Menschen. Das hat mich im Studium schon aufgeregt und Summers gehört zwar nicht zu den Rechten glaubt aber wohl an Deregulierung.“
Ok, und wen schlägst du dann vor.“
Ich weiß nicht, vielleicht jemand der schon bei der WB war, oder jemand der nicht aus dem Bereich Wirtschaft, sondern aus dem Bereich humanitäre Hilfe kommt, oder jemand, für den die WB nicht nur ein weiterer Job ist. Das ist aber so einen Sache in der <<Branche>>. Ich bin da schon ziemlich die Ausnahme, dass ich schon so lange durchgehend dabei bin, wird sich wahrscheinlich auch nicht mehr ändern, wollen wir hoffen. Du hattest Glück, dass du in meiner Abteilung gelandet bist. Wird aber wahrscheinlich nicht so bleiben, du kennst ja unser Rotationssystem. Ich mach meinen Job auch eigentlich schon viel zu lange. Wenn du ein bisschen aufgestiegen bist, zum Manager oder so, musst du aufpassen, dass du, wenn der Präsident wechselt nicht von einem Tag auf den anderen gefeuert wirst.“
Medewe schnaubte einmal laut aus, etwas in Gedanken. Er hatte mittlerweile sein Risotto aufgegessen, Andre hatte in seinen Atempausen auch einen Großteil des Fisches gegessen, aber von dem Gemüse, war außer den zwei, drei großen Gabel mit Möhren noch alles da. Die Süßerbsensen sahen für Medewe verlockend was.
Darf ich mir eine von den Süßerbsen nehmen?“
Ja klar, ich mag die nicht.“
Andre richtete gerade noch seine Serviette, die er sich auf den Schoß gelegt hatte, Medewe hatte es ihm nachgemacht, als sein Blackberry seinen SMS-Klingelton von sich gab und er es herausholte. Einige Sekunden starrte er auf das Display, überflog die Nachricht und sagte dann zu Medewe:
Ach, wenn man vom Teufel spricht, eine Nachricht von Mr. Z.“
Ok, wichtig?“
Mh, hält sich in Grenzen, normalerweise würde ich heute Abend noch telefonieren, da ich mich aber hoch offiziell im Urlaub befinde, schreibe ich denen Morgenfrüh.“ Blickte wieder kurz auf sein Blackberry und dann wieder hoch zu Medewe „Morgen früh Washingtoner Zeit.“
Andre packte sein Blackberry wieder weg.
Hast du noch Hunger?“
Einen Blick auf die Nachspeisenkarte würde ich schon riskieren.“
Ok, dann kann ich mir auch noch ein Glass Wein bestellen. Für dich auch eins?“
Nein danke.“ Obwohl Medewe im Land des Wodka aufgewachsen war fühlte er sich etwas erheitert vom Glas Wein, das übrigens deutlich über die breiteste Stelle hinaus gefüllt war.“
Mittlerweile wuselten die Kellner und Kellnerinnen in deutlich erhöhter Frequenz durch die Reihen an Tischen im Saal, sodass es Andre erst im dritten Versuch gelang einen Kellner zu erwischen.
Ich hätte gerne noch ein Glas von dem Wein.“
Und ich hätte gerne noch ein Glas stilles Wasser und die Nachspeisenkarte.“
Jawohl“
Medewe blickt noch einmal in den Innenhof auf die beiden jungen Frauen, bei denen sich nichts geändert hatte, außer, dass die Champagnergläser mittlerweile geleert waren.
Der Kellner kam fast augenblicklich mit der Speisekarte wieder und Medewe bedankte sich freundlich mit einem Lächeln.
Während Medewe Richtung Nachspeise blätterte kam das zweite Glas Wein für Andre, das Andre erst einmal unbeachtet ließ, weil er sich gerade auf seine Nägel konzertiert hatte.
Sowohl die Mousse au Chocolat, als auch die Crème Brûlée sprachen Medewe sehr an, er entschied sich aber recht schnell für die Crème Brûlée, weil er, obwohl er keines von beidem jemals auf hohem Niveau probiert hatte, die Crème Brûlée immer für anspruchsvoller hielt. Andre nahm gerade einen Schluck Wein während er immer noch auf seine Nägel starrte als Medewe die Speisekarte laut zuklappte und damit Andre von seinen Nägeln losriss.
Hast du dich entschieden?“
Ja“
Gut“ und Andre gab einem gerade vorbei kommenden Kellner ein Zeichen.
Könnte ich bitte eine Crème Brûlée haben“ sagte Medewe und reichte dem Kellner die Speisekarte.
Für mich bitte einen entkoffeinierten Espresso, für dich auch einen Kaffee?“
Nein danke“
Ok, dann nur einen entkoffeinierten Espresso.“
Der Kellner nickte kurz und verschwand mit der Speisekarte.
Versuchend einen Gedanken festzuhalten und mit etwas angestrengten Blick blickt Andre kurz in die Gegend.
Ah, das wollte ich dir noch erzählen.“
Ok, leg los.“
Ich war noch in Frankfurt und wollte per Telefon den Tisch hier reservieren. Ich gab also an, dass ich auf meinen Namen einen Tisch für zwei reservieren wollte und am Telefon fragte man mich, wo man mich denn erreichen könne. Normalerweise ist es für jemanden recht schwer hier einen Tisch zu bekommen. Als ich hier einmal mit einer Freundin war kam plötzlich Barack Obama rein. Till Schweiger und Thomas Gottschalk sollen hier auch öfters essen. Die lassen hier also nicht jeden rein um zu verhindern, dass die Leute nur darauf aus sind Prominente zu treffen und dann aufzuspringen und die Leute zu fotografieren. Man hat mich also gefragt wo man mich erreichen könne und ich antwortete, dass ich im Moment im Hilton in Frankfurt bin und an dem Abend der Reservierung wäre im im Adlon. Dann hat man mir geantwortet, dass dann ja alles klar sei und man hat meine Reservierung höchst freundlich entgegengenommen.“
Mh, hat was.“
Ein Kellner kam mit dem Espresso für Andre und mit der Crème Brûlée, serviert an kandierten Zitrusfruchtstückchen und einer Kugel Zitroneneis. Medewe klopfte erstmal einmal einige Male leicht auf die Crème Brûlée, während Andre etwas in seinem Espresso rührte und Medewe dabei betrachtete wie er seine Crème Brûlée bearbeitete. Die Crème Brûlée schmeckt intensiv nach Vanille und die kandierten Zitrusfruchtstückchen und das Zitroneneis hatten eine angenehme Säure.
Den Espresso kippte Andre in einem Zug herunter und auch Medewe war schon fast mit seiner Nachspeise fertig. Als Medewe den Löffel zur Seite legte fragte ihn Andre mit etwas verschmitzter Stimme:
Und, bist du jetzt satt geworden.“
Ja.“, sagte Medewe mit einen Lächeln.
Gut.“, und Andre schob seine Espresso Tasse etwas nach vorne und meldete seine Zahlungsbereitschaft beim Kellner an.
Dieser kam auch kurz darauf mit der Rechnung in einem Lederumschlag. Andre warf einen kurzen Blick darauf, holte seine Brieftasche heraus und legte seine Kreditkarte von außen deutlich sichtbar in den Lederumschlag.
Seit wann hast du die Platinkarte?“
Seit ich auf der mittleren Führungsebene bin, da fängt das Reisen erst an, was du hinter dir hast würde ich eher als Jahresurlaub bezeichnen.“
Medewe grinste nur.
Ich hab bevor ich nach München geflogen bin eine Mail von Mastercard bekommen, das die meine normale Karte kostenlos auf Gold geupgrade haben, die Karte müsste bei mir in Washington im Briefkasten liegen.“
Wieso bist du nach München geflogen, ich dachte du hättest sowieso Aufenthalt in Berlin gehabt?“
Der Kellner kam, nahm den Lederumschlag mit und vollzog den Zahlungsvorgang an der nächsten Kasse.
Mein Flug war eigentlich über Berlin und Frankfurt nach Washington geplant. Mein Flug wurde dann aber verlegt, sodass ich über München nach Frankfurt geflogen wäre. In meiner ursprünglichen Planung wäre das kein Problem gewesen. Nun sollte ich aber nicht in Frankfurt, sondern in Berlin sein und dann habe ich die Bahn nach Berlin genommen.“
Hat es Spaß gemacht, München-Berlin im Zug? Ich hoffe doch Erste Klasse.“
Medewe wich zuerst dem Blick von Andre aus, sagte dann: „Ich hatte eine Sitzplatzreservierung.“
Der Kellner kam mit dem Lederumschlag und legte ihn zusammen mit einem schwarzen Kugelschreiber auf den Tisch.
Andre schlug den Lederumschlag auf, strich das Feld für das Trinkgeld durch, unterzeichnete die Rechnung und legte noch 15 € Trinkgeld in Scheinen dazu.
Den Lederumschlag schob Andre etwas in Richtung des Tischrandes, erhob sich, zwang sich aus seinem Platz heraus und sagte zu Medewe, der noch auf seinem Platz saß: „Ok, lets go.“
Der Regenschirm lehnte noch immer gegen das Fenster zu Medewes Linken und als er danach griff warf er kurz einen Blick nach draußen auf die beiden jungen Frauen, die immer noch ihre leeren Sektgläser vor sich stehen hatten. Den Regenschirm lehnt Medewe noch kurz einmal am Tisch ab, zog sich seinen Mantel über, griff wieder nach dem Regenschirm und folgte Andre, der schon im Begriff war Richtung Ausgang zu gehen. Am Eingang wurden sie freundlich von dem Herr verabschiedet, der die beiden an ihren Tisch begleitet hatte, von der jungen Frau im Cocktailkleid war nichts mehr zu sehen.
Sie schritten heraus aus dem Restaurant und Medewe zog seinen Mantel etwas weiter zu. Es war schon recht spät und von der Wärme des Sommertages, die sich über Berlin gelegt hatte, war nun nichts mehr zu spüren.
Andre strebte den gleichen Weg an wie den auf dem sie gekommen waren. Medewes Füße hatten sich im Restaurant zum Glück etwas entspannt, weshalb der Rückweg nun erträglich war, die Lichter am Autosalon brannten allerdings immer noch und Medewe wunderte sich erneut, dachte diesmal aber nicht weiter darüber nach.
Die Straße unter den Linden wirkte in dieser Nacht wie verlassen, nur ein einzelnes Taxi wendete am Pariser Platz und kam den beiden entgegen. Als sie sich dem Eingang des Adlon näherten nickte der Portier den beiden kurz zu und zog an seinem Zylinder. Andre und Medewe griffen gleichzeitig nach dem metallenen Griff der Drehtür, der mittlerweile deutlich abgekühlt war und stemmten mit vereinter Kraft gegen die Tür.
Die Lobby des Adlon hatte sich mittlerweile etwas geleert, es saßen nur einige Leute auf den Barhockern an der Bar und einig Andere vereinzelt in den Sesseln vor den Teetischen, die meisten mit Weingläsern in der Hand oder vor sich.
Auf der Höhe der Rezeption wandte sich Andre zu Medewe.
Du kannst schon auf dein Zimmer gehen, ich muss hier noch was für Morgen besorgen. Wir gehen dann Morgen gehen 10 zum Frühstücken ins Café Einstein, das ist hier nur ein bisschen die Straße Unter den Linden runter. Ich ruf dich dann gegen 10 an.“

16 January 2013

Die WB im Dickem B - Kapitel 1





Kapitel 1

Berlin, arm aber „Adlon verpflichtet“

Ich wälzte mich aus dem eng bemessenen Sitz heraus hinein in den ebenfalls schmalen Gang.
Es war eine beschissene Fahrt gewesen.
Zum Einem quälte mich mein Gewissen, weil ich auf einer Reise zum privatem Vergnügen war, die sich sicherlich nicht in den Spesen abrechen ließ, und ich somit 200 € ohne zusätzlichen Mehrwert für ein privates Vergnügen aufwenden musste.
Zum Anderem war der Zug völlig überfüllt. Ich hatte zwar eine Sitzplatzreservierung, allerdings hätte ich mit einem Stehplatz im Gang nur unwesentlich weniger Platz gehabt. Bei der Sitzplatzreservierung hat die Deutsche Bahn eine Person neben mir gebucht, die eigentlich zwei Sitzplätze hätte buchen müssen. Die Mitarbeiter der DB sahen das hier aber anscheinend etwas anders
Ich setzte mich also von meinem Sitzplatz auf, musste dabei aber aufpassen nicht vom Koffer eines Verursachers des Defizits bei den Gesetzlichen Krankenkassen erschlagen zu werden. Dieser Koffer war so überdimensioniert, dass man den Eindruck haben könnte mein Sitznachbar wolle dauerhaft auswandern. Mein Koffer hat immer nur Handgepäckgröße. Es kommt nicht darauf an wie viel man mitnimmt, sondern wie man es einpackt.
Im Schneckentempo ging es aus dem Zug heraus und als ich über die Schwelle trat geriet ich aus der Traufe in den Regen. Der Zug war verlängert worden, die Glaskuppel beim Bau des Bahnhofes aus Zeitgründen aber etwas zu kurz geraten, was dazu führte das meine erste Berührung mit der Hauptstadt eine doch überaus kalte, unangenehme und vor allem nasse war. Die Einladung einer Bekanntschaft, die ich bei einer Konferenz in Usbekistan gemacht hatte, der Grund warum ich überhaupt in diese fremde Stadt kam, umfasste zwar einige Übernachtungen in einem Berliner Hotel, allerdings kein Flugticket, welches mich samt Taxiservice vor solchen Unannehmlichkeiten hätte bewahren können.
Ich bewegte mich mit schnellen Schritten, dem Regen zu entfliehen versuchend, über die Rolltreppe hinaus zum Taxistand und stieg in das vorderste Taxi der Reihe. Dem Taxifahrer gab ich einfach die Adresse des Hotels, die Andre mir bei unserem letzten Treffen aufgeschrieben hatte. Der Zettel sah mittlerweile etwas mitgenommen aus. Mein Gepäck musste ich selber einladen, was mir eigentlich auch ganz recht war. Ich versuchte für einen Moment die Augen zu schließen und für einen Moment das weiche Leder unter mir nach der langen und harten Fahrt zu genießen.
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Die schwarze Limousine brachte mich direkt zum First-Class-Terminal der Lufthansa am Frankfurter Flughafen. Es war ein Service meines Hotels, den ich gerne in Anspruch nahm.
Eine Mitarbeiterin der Lufthansa begrüßte mich schon, während sich ein anderer Mitarbeiter um meine beiden Koffer kümmerte.
Mir standen zwei Gepäckstücke pro Flug zu, warum also das nicht ausnutzen, wenn ich die Koffer nicht mal selber schleppen muss, dachte ich mir immer.
Die Lufthansa Mitarbeiterin sprach mich mit Vornamen an und ich sie auch. Ich gab ihr wie selbstverständlich meinen Reisepass. Nachdem ich die Sicherheitskontrolle hinter mich gebracht hatte verabschiedete ich mich in Richtung Snackbar. Ich hatte mich zwar noch etwa eine Stunde vorher zum Essen mit einer Freundin in Frankfurt getroffen, ein kleiner Snack und ein guter Rotwein können aber eigentlich nie schaden.
Ich nahm mir ein gut gefülltes Glas Rotwein sowie einen Teller voll Madeleines und begab mich in eine ruhige Ecke der Lounge, in die Smookingarea. Nach einem großem Schluck Rotweins und zwei Madeleines auf einmal steckte ich mir erstmal eine Zigarette an, Vorsorgungen treffen für den anstehenden Flug.
Die Lufthansamitarbeiterin brachte mir meinen Boardingpass und ich verdrückte mich noch schnell zur Toilette, ließ meinen Wein und die Madeleines unbeachtet zurück. Es gibt für mich nichts unangenehmeres als bei einem Kontinental-Flug auf die Flugzeugtoilette zu müssen. Die Madame wird ihren Spaß haben mich zu suchen, auf der Anzeigetafel wurde mein Flug schon zum Boarding aufgerufen.
Mir egal, müssen die Anderen halt auf mich warten.
Ich trocknete mir noch die Hände mit Papiertüchern ab und öffnete die Tür der Toilette, da kam mir schon die Madame Lufthansamitarbeiterin aufgeregt entgegen und bat mich, nachdem sie sich kurz sammelte, ihr zu folgen.
Wir gingen ein paar Treppen hinunter, verließen das Terminal und stiegen ein in einen schwarzen Mercedes, der mich zum Flugzeug bringen sollte.
Die Crew erwartete mich schon freundlich wie immer und ich verstaute meine Umhängetasche mit Laptop, iPod und Lektüre auf dem Sitzplatz neben mir. Kaum saß ich kam auch schon ein Stuart auf mich zu, fragte mich ob ich etwas lesen möchte. Während ich anfing den aktuellen Stern durchblättern und den einen oder anderen Artikel überflog begann das Flugzeug seinen Steigflug.
Obwohl der Flug von Frankfurt nach Berlin nur etwa 45 Minuten Flugzeit hatte bekam ich doch, ebenso wie die anderen Passagiere der Businessclass, ein vollständiges Abendbrot, ich bestellte mir dazu einen Rotwein. Eine Bekannte von mir meinte einmal, man könnte diese Kurzflügge in der Businessclass komplett mit Essen verbringen.
Nachdem ich mit meinen Abendbrot fertig war (Abendbrot um halb 4 ;) ) , widmete ich mich noch meinem iPod, ein Kollege von der WB hatte mir Musik aufgespielt, und begann einem ausführlichem Artikel im Stern zu lesen.
Die Landung in Berlin Tegel gestaltete sich etwas unsanft, dafür wartete die Limousine des Adlons, das ich schon vor meiner Verabredung in Frankfurt verständigt hatte am Rollfeld. Ich war erleichtert, dass ich nicht in diesen stickigen Bus musste. Meine Koffer werden mir später nachgeliefert worden sein, ich kannte das Prozedere schon.
Adriana, meine Fahrerin, klärte mich kurz über den Stand in der Hauptstadt auf, es war Wahlkampf um das Rote Rathaus. Den Rest der Fahrt genoss ich es einfach wieder in Berlin zu sein. Es hat zwar nicht die Sonne Südfrankreichs, aber dafür den ganze besonderen Berlin-Flair, den Flow, den nur Berlin hat.
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Allerdings bedurfte es gar keiner weiteren Ablenkung, weil die Fahrt bereits nach einigen tiefen Atemzügen ihr Ende gefunden hatte. Ich schreckte kurz auf als das Taxi stoppte, warf einen Blick auf das Taxameter, und gab dem Fahrer einen 10 € Schein.
Kaum hatte ich die Tür geöffnet stand ein großer, in einem langen schwarzen Mantel gekleideter Portier mit Regenschirm vor mir und fragte ob er mein Gepäck abnehmen könne. Ich werde bereits erwartet. Ich verneinte die Frage höflich, der Portier half mir aber trotzdem meinen Koffer aus dem Kofferraum des Taxi zu nehmen und ich folgte, meinen Koffer hinter mir herziehend, dem Portier hinein in die Eingangshalle des Hotels, vorbei an einem Schild mit einigen Sterne und einem für mich unbekannten Schrittzug.
Die sich vor mir ausbreitete Eingangshalle war beeindruckend. Stilvoll eingerichtet, ein ständiges Stimmengewirr, aber nicht laut, Klaviermusik im Hintergrund und inmitten von alle dem ein Springbrunnen von filigraner Handwerkskunst. Der Portier geleitete mich über die linke Seite hin zu einem Schalter, an dem ständiges Gewusel herrschte und niemand sich von Dauer aufzuhalten schien. Der Portier verschwand nach einem kleinen Gruß zur Hotelangestellten wieder hinaus zur Tür, sprach aber zuvor noch einige in Freizeitkleidung und Tennissocken gekleidete Personen am Eingang an, über die ich mich schon gewundert hatte, weil sie mit ihren Fotoapparaten irgendwie nicht wie Hotelgäste erschienen.
Die Hotelangestellte sprach mich auf Englisch an und hieß mich willkommen, ich antwortet auf Deutsch. Irgend wofür müssen sich die Deutschstunden ja gelohnt haben, ;) und ich hatte mich immerhin genug gequält. Die Anmeldung verlief schnell und reibungslos, die Hotelangestellte gab mir meine Schlüsselkarte. Die restlichen Formalien muss Andre wohl bereits erledig haben, und man erkundigte sich erneut ob man mir bei meinen Gepäck helfen könne. Ich verneinte die Frage erneut und man wünschte mir einen schönen Aufenthalt als sie bemerkte, dass Andre mit festem Schritt auf die Rezeption zu kam. Andre grüßte die Hotelangestellte noch im Gehen kurz mit Vornamen und streckte mir seine Hand entgegen was allzu bald in eine feste Umarmung überging.

Der silberne Audi stoppte vorm Adlon, ich stieg aus und verabschiedete mich von Adriana. Auf dem Weg zur Rezeption warf ich noch einen Blick auf den Brunnen in der Mitte der Eingangshalle, ein Kunstwerk welches mich jedes mal fasziniert.
An der Rezeption brauchte ich Sophia nur noch meine Kreditkarte zum Abgleich geben und bekam von ihr meine Schlüsselkarte, die von Medewe ließ ich aber an der Rezeption, ich wollte ihm den Gang dahin nicht ersparen.
Meine Suite war zum Glück schon bezugsfertig, das Roomkeeping war gerade fertig geworden. Für Medewe hatte ich nur ein Zimmer gebucht, ich wollte den Grünschnabel nicht größenwahnsinnig werden lassen.
Auf dem Weg zu meinem Zimmer begegnete ich einigen anderen Gästen des Hotels, einige kannte ich sogar noch von einem sehr langem Silvesterabend letztes Jahr. Wir hätten es beinah geschafft die Hotelbar zu überlasten. :)
Auf meinem Zimmer angekommen ließ ich mir erstmal ein Vollbad ein, schaltete den Fernseher an und als ich im Bademantel auf die Allee unter mir blickt, rief ich kurz beim Concierge an, bestellte mir eine Flasche von meinem Lieblingswein, und bat darum informiert zu werden sobald Alexander Medewe eintreffen sollte.
Nachdem ich mich wieder ordentlich angezogen hatte und auch die Flasche Rotwein gekommen war, legte ich mich aufs Bett, schaute RTL, trank Rotwein, zündete eine Zigarette an und blätterte durch den Stern, den ich noch aus dem Flugzeug hatte.
Es dauerte nicht einmal all zu lange, als das Telefon klingelte und ich mich auf den Weg nach unten begab.
Als ich unten ankam war Medewe gerade noch mit dem Einchecken beschäftigt. Ich lief trotzdem auf ihn zu, begrüßte Louisiana kurz und umarmte Medewe mit freudiger Erregung, wohl schon etwas angeschwippt vom Wein.
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Andre selber war kein Russe, er war Franzose, lebte aber in Washington D.C., wobei man nicht sagen kann, dass er dot wirklich lebte. Er verbringt in der Regel nie länger als drei Tage am Stück in Washington, dann geht es wieder auf Reise, in der Regel für etwa eine Woche, mit Zwischenstopps in europäischen Metropolen und einem Wochenende an der Cote d'Azur. Er war Abteilungsleiter für Zentralasien im WB HQ, was im Grund wöchentliche Meetings nötig machte.
Zwar lief Andre stark auf die 59 zu, was ihm aber nicht daran hinderte, eben dieses Pensum höchst regelmäßig zu fliegen: Washington, Bischkek, Paris, Cote d'Azur. Washington, Astana, Berlin, Cote d'Azur. Washington, Duschanbe …

Medewe war gerade einmal Mitte Zwanzig. Seinen Schulabschluss hatte er in St. Petersburg gemacht, studiert hatte er in Moskau, promoviert ebenda über einen Teilbereich der Auslandsverschuldung, alles mit Auszeichnung. Angefangen hatte er bei der WB direkt nach seiner Promotion und konnte aufgrund seiner guten Zeugnisse direkt zwei Gehaltsstufen höher einsteigen. Man hielt ihn dann aber doch noch für einen Grünschnabel und hatte ihn auf eine dreiwöchige Rundreise durch ganze Zentralasien und Osteuropa geschickt um als Gasthörer auf verschiedenen Meetings erfahrner WB Leute dabei zu sein.
Auf einem dieser Meetings hatte er Andre kennen gelernt, sein Beobachtungsobjekt für dieses Meeting.
Andre hatte sich über Medewes Werdegang gewundert und hatte ihn gefragt wie ein junger Menschen das leisten könne, das ganze Leben auf der Überholspur und dabei doch nichts zu erleben und nichts zu genießen.
Das Treffen mit Andre war gleichzeitig die letzet Station auf Medewes Reise. Andre gab Medewe die Adresse des Berliner Hotels, in das er sich einquartieren sollte. Medewe musste laut seines Flugplanes eine Nacht in Berlin bleiben um seinen Anschlussflug über Frankfurt nach D.C. zu bekommen. Medewe hatte sich eigentlich vorgenommen ein Hotel am Flughafen zu nehmen. Als Andre ihn aber anrief und es schaffte Medewe zu überzeugen seinen restlichen Urlaub dafür zu nutzen ein paar Tage mit ihm in Berlin zu verbringen und Andre auch noch ankündigte für das Hotel aufzukommen, änderte Medewe seine Pläne, er wollte sich ja nicht mit seinem Vorgesetzten schlecht stellen.
Sein Flug wurde dann nach München verlegt und einen weiteren Flug nach Berlin wollte er nicht mehr buchen, weil er sich nicht mehr auf offizieller Reise befand. Er entschloss allerdings letztlich mit der Bahn nach Berlin zu fahren, um seine Zusage Andre gegenüber nicht zu brechen und um seine Pläne nicht schon wieder ändern zu müssen.
Andre hatte angekündigt Medewe zu zeigen, was es heißt zu leben. Er wollte ihm das Berliner Nachtleben etwas näher bringen. „Woanders gibt’s ´ne Speerstunde, in Berlin die Müllabfuhr“ hatte Andre einmal gesagt. Medewe fand das unpassend, er war keine Anfang 20 mehr und Andre erst recht nicht. Vielleicht hat Andre das aber auch irgendwie anderes gemeint.
Medewes Nachtleben hatte sich bis jetzt immer auf Überstunden, gelegentlich einem Kinobesuch mit Freunden und noch einmal Überstunden erstreckt. Er war damit nicht unglücklich, seine Arbeit machte ihm Spaß, er hatte machmal von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens am Computer gesessen und seine Promotion geschrieben.
Andre löste die Umarmung und die beiden bewegten sich zu den Aufzügen. Andres Stimmung war heute deutlich gelöster, als bei ihrem letztem Treffen. Die Fahrstuhltür öffnete sich und Andre nahm Medewe kurzerhand seine Schlüsselkarte ab, nur um sie vor ein Panel des Aufzuges zu halten, worauf sich der Aufzug in Bewegung setzte und Andre Medewe die Schlüsselkarte zurückgab.
Die Fahrt nach oben verbrachten die beiden schweigend und auch auf dem Weg zu Andres Zimmer hatten die beiden sich außer einigen freundlichen Grüßen an zufällig vorbei kommende Hotelgäste nicht viel zu sagen. Medewe wollte sich seine Worte für später aufbewahren.
Vor dem Zimmer von Andre verharrten die beiden und Andre empfahl Medewe erst mal auf sei Zimmer zu gehen, es sei auf dem selben Stock, die Nummer stehe aus seiner Schlüsselkarte und nach einem Blick auf selbige sagte er Medewe, er werde ihn später auf seinem Zimmer anrufen und ihn dann erst mal sanft und seicht in das Berliner Nachtleben einführen, er solle ja nicht gleich einen Schock erhalten; Medewe fühlte sich in seiner Ehre als Russe gekränkt, sprach es aber nicht aus.
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Das Haus war größer als ich es vermutet hätte. Auch wenn Andre gesagt hatte, dass mein Zimmer auf dem selben Stockwerk sei, musste ich doch den Fahrstuhl nehmen um in einen anderen Teil des Hotels zu gelangen. Im Fahrstuhl machte ich die freundlich Bekanntschaft eines Küchenjungen, der mich dafür aber bis in den Keller beförderte. Ich also mit dem Fahrstuhl wieder hoch. Mehrere Minuten lief ich über den angenehm weichen Boden, welcher aber nicht darüber hinweg täuschte, dass sich meine neuen Schuhe mittlerweile als Fehlkauf erwiesen, weil sie mir meine Hacken aufrieben, um nachdem ich mich mehrmals verlaufen hatte bei seinem Zimmer am Ende eines langen Ganges mit mehreren uneinsichtigen Wendungen nun doch endlich ankam. Das Türschloss öffnete sich ohne Tadel, dafür war die Tür an sich umso schwerer und ich musste mich mit meinem Körper gegen die Tür stemmen, um sie zu öffnen. Die Tür fiel hinter mir zu und ich stellte erst einmal meinen Koffer ab, um durch die Doppeltür in das Schlafzimmer zu schreiten, öffnete sogleich die schweren, bodenlagen Vorhänge, um noch etwas Tageslicht dieses Sommertages in mein Zimmer fallen zu lassen.
Ich wandte mich wieder meinen Koffer zu, legte ihn auf das Bett, öffnete ihn und fing damit an den Inhalt meines Koffers in den Schränken auf dem Flur zu verstauen, denn auch wenn Andre gesagt hatte, das ganze hier würde nur ein paar Tage dauern, war ich es doch gewöhnt meinen Koffer auszupacken. Ich reise immer mit so wenig Gepäck, dass das ganze Prozedere nie länger als 5 Minuten dauert und es sich am Morgen doch immer als deutlich angenehmer erwiesen hat, wenn man im Koffer nicht nach frischen Klamotten fischen muss.
Im Übrigen bin ich auch noch nie in die Bredouille gekommen, das mir die frische Kleidung ausgegangen wäre.
Nach viereinhalb Minuten und nachdem ich erstmal ausprobiert hatte wie der Fernseher angebt, beschloss ich mich im Badezimmer etwas frisch zu machen. Die Toilette war separiert und nach einer Dusche im Regenwald stapfte ich im Bademantel zum großen Fenster um zu schauen ob sich der lange Marsch zu meinem Zimmer durch die Aussicht bezahlt machte.
Mein Zimmer war an der Ecke einer Seitenstraße zu der Prachtstraße auf der ich wohl vorhin mit dem Taxi gefahren bin. Ich musste mich etwas schräg stellen, erkannte vor mir aber das Brandenburger Tor, soviel wusste ich von Berlin, und ein Gebäude mit der französischen Flagge, anscheinend die Botschaft.
Medewe schritt den Gang hinunter, in die Richtung seines Zimmer, mal sehen ob er sein Zimmer findet, oder ob irgendwer ihn aufgabelt und dann zu seinem Zimmer bringt.
Ich öffnete meine Tür, meine Koffer waren mittlerweile auf mein Zimmer gebracht worden. Ich legte mich wieder auf mein Bett, schenkte mir Rotwein nach, zündete mir eine Zigarette an und holte meine Lektüre aus meiner Umhängetasche, ein klassisches Werk über eine Kaufmannsfamilie aus Lübeck.
Medewe sollte ruhig eine Stunde Zeit haben um sein Zimmer zu erkunden, die Reservierung im Borchardt hatte sowieso noch Zeit. Ich wollte Wort halten, Medewes Einstieg sollte wirklich sanft sein, ich habe meine eigene Definition von Nachtleben.
Ich hatte noch nicht einmal ein halbe Stunde gelesen, gerade genug um wieder in den Flow zu kommen, da klingelte das Telefon. Ich nahm sofort ab, Medewe war am anderem Ende:
„Ja, ja so in etwa.“, antwortete Medewe, „ Andre sag mal, wohin willst du mich eigentlich nachher entführen.“
„Turnschuh oder Smooking?“ fragte Medewe direkt.
Damit legte ich auf. Wie neugierig die Jungen von heute sind, aber eigentlich hat er ja recht.
Kaum weitere 20 Minuten später, ich hatte mir gerade vorgenommen, dass ich noch etwas weiter lesen wolle, rief Medewe wieder an, er werde unten in der Lobby auf mich warten. Das war mir nur recht, soll er nur etwas unten in der Lobby warten.
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Ich riss mich von dem Ausblick los, schritt an mein Bett, hob den Telefonhörer ab und wählte die Direktwahl für das Zimmer von Andre. Andre hobt den Hörer sofort ab, er lag wohl gerade auf dem Bett,:
„ Kannst du es gar nicht mehr abwarten“, sagte Andre.
„Das soll doch eine Überraschung sein“, erwiderte Andre.
„Jackett, aber ohne Anzug und auf gar keinen Fall Turnschuh, die sind die nächsten Tage ab 19 Uhr tabu, den Tag über kannst du die gerne tragen. Zieh aber bitte nicht dein Anzugjackett an, es ist einfach fürchterlich geschnitten, du siehst darin aus als währst du Anfang 60 und hättest dir die Haare gefärbt.“
Damit legte Andre auf.
Ich fühlte sich etwas brüskiert, machte mir aber nicht daraus. Schon in meiner ersten Woche bei der WB bin ich vor solch einer Art von Humor gewarnt worden.
Ich legte mir also meine Sachen zurecht, behielt den Bademantel aber noch einen Moment an, klappte meinen Laptop auf um meine E-Mails abzurufen und um auf dem Laufenden mit dem Geschehen im HQ zu bleiben.
Nach der Durchsicht der angelaufenen E-Mails, die ich alle pflichtgemäß beantwortete, insofern dieses erforderlich war, las ich noch eine Hand voll Artikel auf SPON, um mich kurz in das Zeitgeschehen meines gegenwärtigen Aufenthaltsortes einzufinden, schloss meinen Computer und zog meine zuvor vorbereiteten Sachen an.
Da mir auf dem Zimmer irgendwie langweilig war, weil ich mein Buch schon auf der elendig langen Zugreise ausgelesen hatte und von fernsehen, außer als Einschlafhilfe, nicht sonderlich viel hielt, rief ich kurz bei Andre an um ihm mitzuteilen, dass ich mich unten in die Lobby setzen würde um einen Kaffee zu trinken.